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Blumenthal’s „erstes Girlfriend in Shanghai“

Aktualisiert: 26. Jan. 2021

15 Schüler des Georg-Mendheim-Oberstufenzentrum absolvierten Mitte September eine Projektwoche zum Thema „Judentum in Oranienburg“ initiiert von unserem Schulleiter Herrn Starke in Kooperation mit dem jüdischen Museum Berlin-Kreuzberg.

Dabei war das einstündige Interview mit dem Ehrenbürger Oranienburgs und ehemaligen Finanzminister der USA Highlight der Woche.

Das sind wir. Ganz gebahnt von den Erzählungen...

Das sind wir. Ganz gebahnt von den Erzählungen …

Wir Pauline, Maria und Linda haben uns mit der Familie Blumenthal befasst und die spannendsten Aussagen aus dem Interview für euch zusammen geschrieben.

Wir waren dankbar, dass er extra für uns nach Oranienburg gekommen ist. Unsere hohen Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Schon beeindruckend wie ein 93 jähriger geistig fit die Massen mit seiner Geschichte mitreißen konnte.

Hier nun unsere Zusammenfassung für euch:

Werner Michael Blumenthal wurde am 03. Januar 1926 in Oranienburg in der Berliner Straße geboren und lebte hier mit seiner jüdischen Familie. Sein Geburtshaus existiert nicht mehr. Heute stehen dort Plattenbauten.

Bis zu seinem dritten Lebensjahr lebte er in einem Gebäude am heutigen Schlosspark. Heute befindet sich im sog. Blumenthal’schen Haus das italienische Restaurant „L‘Oasi“. Das Gebäude wurde als Wohn- und Bankhaus genutzt, bis die Familie im Jahre 1929 zahlungsunfähig wurde. Daraufhin zog die Familie Blumenthal nach Berlin. Mit 6 Jahren besuchte er als jüdischer Junge 1932 eine Volksschule in Berlin. Eine Volksschule ist mit einer Grundschule zu vergleichen. W. Michael Blumenthal wunderte sich zunächst, weswegen er nicht bei der Hitlerjugend teilnehmen durfte. Bis 1936 sagten ihm seine Eltern immer wieder, dass er in der Volksschule nicht auffallen solle. 1936 musste er auf eine weiterführende jüdische Schule wechseln, da er kein deutsches Gymnasium besuchen durfte. In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 erlebte der 12jährige Werner Michael Blumenthal die Reichspogromnacht hautnah am Kuhdamm mit. Die Pogromnacht 1938 war eine vom nationalsozialistischen Regime organisierte und gelenkte Gewaltmaßnahme gegen Juden in Deutschland und Österreich. Am Morgen des 10. Novembers um halb 6 klingelte die Polizei an der Haustür der Familie Blumenthal. Der Vater wurde abgeholt mit dem Vorwand ihn auf die Wache zu bringen. Seine Mutter war empört. Jedoch wurde sein Vater für 6 Wochen ins Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Seine Mutter verbot Micheal das Haus an diesem Tag zu verlassen. Da er ein frecher, neugieriger Junge war, verließ er trotz dessen das Wohnhaus. Er sah, dass Scheiben der jüdischen Geschäfte eingeschlagen, zerstört und ausgeraubt wurden. Er erinnerte sich, dass er eine rauchende Synagoge sah. Hunderte Menschen standen um die Synagoge sowie die Feuerwehr. Die Feuerwehr sorgte lediglich dafür, dass die benachbarten Häuser kein Feuer fingen. Sein Vater Ewald Blumenthal kehrte nach 6 Wochen im Dezember 1938 aus dem KZ zurück, da seine Frau Valerie beweisen konnte, dass die Familie das Land verlassen will. Nach der Rückkehr sagte der Vater: „Wir müssen hier weg!“ China war das einzige Aufnahmeland zu dieser Zeit. Die vierköpfige Familie verkaufte ihr letztes Hab und Gut, um die teuren Tickets für die Schifffahrt nach China bezahlen zu können. Die Familie flüchtete Anfang 1939 nach Shanghai. Jede Person der Familie durfte nur 10 Reichsmark mitnehmen. W. Michael erinnerte sich, dass seine Mutter während der Fahrt weinte. Die Schifffahrt war geprägt von einer bedrückenden Stimmung und Angst, da die Familie kein Geld zur Verfügung hatte und sie nicht wussten, was auf sie zukommt.

Die Familie überlebte im Shanghaier Ghetto. Zunächst hatten sie noch Briefkontakt zu ihren Verwandten in Deutschland. Dieser hörte nach kurzer Zeit auf, da der Rest der Familie umgekommen war. Michael sagte, dass er über diesen Vorfall sehr erschüttert war. Das Ghetto war geprägt von Massen an Flüchtlingen, Armut und Hungersnot. Die Familie Blumenthal erlebte den Chinesisch-Japanischen-Krieg 1939 bis 1942 mit. Die Japaner besetzten Shanghai. Nazi-Deutschland schickte Männer der Gestapo nach Tokio in Japan, da sie jüdische Flüchtlinge in Shanghai verhaften und anschließend töten sollten. Dies geschah jedoch nicht. Er erzählte uns, wie er die Stadt Shanghai in den 30er und 40er Jahren erlebte. Er beschrieb Shanghai als gesetzlose, wilde und internationale Stadt, die geprägt war von Morden, Prostitution, Krankheiten, Opiumhöhlen und Spielhallen. Die Kasinos in Las Vegas sollen ein Witz dagegen gewesen sein. Auf seinen Schulwegen sah er täglich Leichen auf den Straßen liegen, da die Menschen sich keine Beerdigungen leisten konnten. Die Leichen wurden vom „Blauen Kreuz“ abgeholt, welches vergleichbar mit dem „Deutschen Roten Kreuz“ ist. 1942 verließ er mit 16 Jahren die Schule. In Shanghai hatte er zudem seine erste Freundin – „mein erstes Girlfriend“. Im Gegensatz zu Deutschland war Shanghai für ihn das „Paradies“. Die Zeit war dennoch schwer und lehrreich. Zu diesem Abschnitt in seinem Leben sagte er „I wouldn’t have missed it.“ (dt.: Ich würde es nicht missen wollen.“).

Seine Eltern ließen sich in China scheiden. 1947 im Alter von 21 immigrierte er zusammen mit seiner Schwester nach San Francisco. Zu einem anderen Zeitpunkt immigrierten seine Eltern ebenso nach San Francisco. Er erzählte, dass er an einem Mittwoch in den USA ankam. An einem Samstag kaufte er sich die Sonntagszeitung und durchsuchte die Stellenangebote. Am Montag bewarb er sich bei einer Arbeitsstelle und konnte eine Woche später anfangen zu arbeiten. 1952 erhielt er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft, da er eine Amerikanerin geheiratet hat. Mit 27 Jahren besuchte er im Jahre 1953 Deutschland wieder nach der NS-Zeit, um dort für 9 Monate seine Doktorarbeit zu schreiben. Werner Michael Blumenthal war er von 1961-1967 Mitarbeiter des US-Außenministeriums und zugleich wirtschaftspolitischer Berater der US-Präsidenten Kennedy und Johnson. In den Jahren 1977-1979 war er US-Finanzminister der Carter-Regierung. 1997 wurde er Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in Berlin. Auf eigenen Wunsch legte er 17 Jahre später sein Amt als Direktor ab im Jahre 2014. Seit der Gründung des Museums besucht er mehrmals im Jahr Berlin, wo er eine eigene Wohnung hat. Das ist sein letzter Job gewesen, den er ehrenamtlich betrieben hat. Auch wenn er nichts verdient hat, war es der schönste Job, den er je hatte. Im Jahre 2000 erhielt Werner Michael eine Ehrenbürgerurkunde der Stadt Oranienburg für Verständigung und Toleranz zwischen den Menschen, unabhängig ihrer Herkunft, ihres Glaubens und ihrer Weltanschauung. Er ist verwundert über diese Ehrenbürgerschaft gewesen, da er der Meinung ist, dass er nie etwas für Brandenburg getan hat. Heutzutage lebt er mit seiner Frau in New Jersey. Er ist immer noch politisch engagiert und bezeichnet sich als Trump-Gegner. Durch seine Erfahrungen mit den Holocaust und der Emigration beschreibt er seine wertschätzende Haltung als sehr ausgeprägt. Er sagte diese Zeit „formed my character“. (dt. hat meinen Charakter geprägt) Trotz dessen ist er der Meinung, dass unsere Generation keine Schuldgefühle tragen soll, aber sie müssen sehr verantwortungsvoll mit dem Thema umgehen und dafür sorgen, dass so etwas nicht nochmal passieren kann….

Werner Michael Blumenthal mit unserem Schulleiter Dieter Starke

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